Werke von Künstlerinnen im Osthausmuseum

Eigentlich war ich gestern im Hagener Osthausmuseum, um zwei Veranstaltungen vorzubereiten, aber dann habe ich Kunst von einigen Frauen entdeckt, die heute gar nicht mehr so bekannt sind – 😊 sonst hieße die Ausstellung ja nicht „Von Renoir bis Warhol“, sondern „Von Kerkovius bis Sintenis“ oder „Von Hoepffner bis Niestrath-Berger“.

Künstlerinnen in der Ausstellung

Tatsächlich grummelte ich, bis ich endlich bei dem Bild von Ida Kerkovius ankam, vor mich hin, dass wieder nur Werke von Männern zu sehen waren. Dann entdeckte ich das Ölgemälde „Zwei Figuren und ein Tier“ von Ida Kerkovius (1879-1970) und zwei Bildkompositionen der Fotografin Martha Hoepffner (1912-2000) und beruhigte mich. Gegenüber wurden drei Bilder von Eva Niestrath-Berger (1914-1993), die einige Jahre in Hagen gelebt und gearbeitet hat, präsentiert. Gleich daneben waren schließlich mehrere Skulpturen von Bildhauerinnen zu sehen, die sogar extra mit einer Tafel angekündigt wurden: „Bildhauerinnen – Avantgarde und Anpassung“ mit Werken von der Hagener Stadtbildhauerin Milly Steger (1881-1948), von Emy Roeder (1890-1971), Grete Hartje-Coers (1896-1988) und Renée Sintenis (1888-1965). Die Ausstellung mit diesen und Kunstwerken und denen vieler namhafter Künstler sind bis zum 12. Oktober 2025 im Osthausmuseum in Hagen zu sehen.

Grete Hartje-Coers (1896-1988)

Die Dortmunder Bildhauerin Grete Hartje-Coers kannte ich nicht, bis ich in der Ausstellung die Plastik „Große Sitzende“ gesehen habe, was sicher auch daran liegt, dass ihre Werke in der NS-Zeit in zwei großen Ausstellungen gezeigt wurde und ich mich lieber den Künstlerinnen zugewandt habe und zuwende, die in jener wenig rühmlichen Zeit nicht an die Öffentlichkeit treten durften, konnten oder wollten. Aber nun ist die Skulptur in der Ausstellung zu sehen, daher erwähne ich sie wenigstens. Tatsächlich irritiert mich auch etwas, dass die Gipsfigur, die 1943 den Titel „Erwachsen“ trug, 1950 auf Wunsch der damaligen Leiterin des Osthausmuseums in Bronze gegossen wurde. Aus heutiger Sicht hätte man das Geld doch auch für die Werke der von den Nazis verstoßenen Künstler:innen aufwenden können. Allerdings finde ich außer einem knappen Wikipedia-Eintrag nichts über die Künstlerin, das erklären könnte, welche Einstellung sie zum System hatte.

Martha Hoepffner (1912-2000)

Über die Nähe der Fotografin Martha Hoepffner, die am 4. Januar 1912 in Pirmasens geboren wurde und in Frankfurt aufwuchs, ist auch nichts bekannt. Sie hat allerdings ihr Studium bei Willi Baumeister abgebrochen, nachdem diesem von den Nazis die Lehrerlaubnis entzogen wurde und sich mit einem Fotoatelier selbstständig gemacht. 1937 durfte sie mit einer Ausnahmezulassung ohne Lehre und Gesellenprüfung wenigstens die Meisterprüfung ablegen. In den folgenden Jahren hat sie Porträtaufnahmen – auch von Soldaten – für die Zeitschrift „Das Illustrierte Blatt“ gemacht, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Es ist zu vermuten, dass sie trotzdem ideologisch nicht mit der nationalsozialistischen Politik verflochten war, sonst hätte der verfemte Willi Baumeister kaum die Freundschaft fortgesetzt. Martha Hoepffner war eine der ersten Kunstfotografinnen, bis zu ihrem Tod am 3. April 2000 waren ihre Werke häufig in Ausstellungen zu sehen und ihr wurden manche Preise und Ehrungen zuteil. Heute wird von der Martha Hoepffner Gesellschaft für Fotografie alle drei Jahre ein Preis für Fotograf:innen vergeben.

Ida Kerkovius (1879-1970)

Ein Gemälde in der Ausstellung hat mich besonders angezogen, ohne dass ich ahnte, dass es laut Titel auch ein Tier zeigt (die suchte ich für meinen Workshop Tiere und Blumen aus Papier falten) und dass es von einer Frau stammt, von Ida Kerkovius nämlich, deren Name mir erst kürzlich bei einer ganz anderen Recherche begegnet ist. Die am 31. August 1879 geborene Künstlerin malte nicht nur, sondern webte auch Bildteppiche und gilt als Angehörige des Stuttgarter Kreises der Avantgardisten zu den bedeutendsten Vertreterinnen der Klassischen Moderne in Deutschland. Sie wuchs in Riga, das damals zum russischen Kaiserreich gehörte, und besuchte dort mit 18 Jahren eine private Mal- und Zeichenschule. Nach ihrem Diplom 1899 hätte sie Kunst unterrichten können, allerdings war sie so fasziniert von der Kunst Adolf Hölzels, dass sie alles daran setzte, Kurse bei ihm zu besuchen – in der Künstlerkolonie Dachau und schließlich an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Dort unterrichtete sie ab 1911 privat Schüler, die nicht zum Studium zugelassen wurden – unter anderem Johannes Itten, den sie später am Bauhaus wiedertreffen würde. Von 1920 bis 1923 studierte sie am Bauhaus in Weimar und lernte dort bei Gunda Stölzl das Weben. Die Nationalsozialisten empfanden ihre Werke als Entartete Kunst, sodass sie in den ersten Jahren nach 1933 viel Zeit im Ausland verbrachte und sich ihren Lebensunterhalt mit Malerei und Bildteppichweberei verdiente. Da ein Teil ihrer Werke bei der Zwangsumsiedlung aus ihrer Heimat verloren ging und ein anderer Teil bei der Zerstörung der Stuttgarter Kunstakademie zerstört wurde, ist von ihrem Werk nur noch ein Bruchteil vorhanden. Umso bedeutsamer ist das Werk, das sich im Besitz des Osthausmuseums befindet. Ida Kerkovius starb am 7. Juni 1970, ich habe mir fest vorgenommen, bei meinem nächsten Besuch in Stuttgart ihr Grab auf dem Waldfriedhof zu besuchen – bis dahin stöbere ich auf der Website zu ihrem Leben und Werk.

Eva Niestrath-Berger (1914-1993)

Die Werke dieser Künstlerin sind mir in der Ausstellung sofort aufgefallen, weil ich vor Jahren eine Schau ihrer Arbeiten in einer Hagener Galerie gesehen habe und besonders von den Papierarbeiten fasziniert war. In meinem Blog PapierZen berichte ich ausführlich von dieser ersten Begegnung mit ihren Werken und Zeitzeuginnen, die sie noch persönlich gekannt haben. Eva Niestrath-Berger wurde am 8. Dezember 1914 in Wallerfangen an der Saar geboren und wuchs in Dortmund auf. 1951 zog sie mit ihrem Ehemann, dem Lehrer und Künstler Karl Niestrath, nach Hagen, wo sie am 1. Januar 1993 verstorben ist. In der Stadt finden sich an verschiedenen Stellen Werke von der Bildhauerin, die mit ganz unterschiedlichen Materialien – von Papier bis zu Metall und Stein – arbeitete und diese durchaus auch verknüpfte.

Emy Roeder (1890-1971)

Wie Ida Kerkorius so ist mir auch Emy Roeder kürzlich begegnet, als ich wissen wollte, ob auch Werke von Frauen bzw. welche Werke von Frauen in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt oder bei Museumsräumungen beschlagnahmt wurden. Ihre Skulptur „Die Schwangere“ wurde wie Milly Stegers Plastik auch beschlagnahmt 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt und erst 2010 bei Bauarbeiten in Berlin wiedergefunden. Wenn man sich anschaut, wer zum Bekanntenkreis der am 20. Januar 1890 in Würzburg geborenen Bildhauerin und Zeichnerin gehörte, ist es nicht verwunderlich, dass auch sie kritisch beäugt wurde. In den 1920er-Jahren lebte Emy Roeder mit ihrem Ehemann und Bildhauerkollegen Herbert Garbe in Berlin, wo sie einen engen Kontakt mit Käthe Kollwitz, Ernst Barlach und Karl Schmidt-Rottluff pflegten. Während der NS-zeit lebte Emy Roeder hauptsächlich in Italien und Frankreich, während ihr Mann von seinem Stipendiumsaufenthalt in der Villa Massimo nach Deutschland zurückkehrte und Mitglied der NSDAP wurde. Nur dank der Unterstützung von Freunden konnte sich Emy durch die NS-Zeit schlagen, allerdings steckten die Alliierten sie als Deutsche 1944 nach der Befreiung Italiens in ein Lager, aus dem sie sie unter anderem ein Kunsthistoriker befreien konnte. Nach vier Jahren in Rom drängte unter anderem Schmidt-Rottluff darauf, dass sie nach Deutschland zurückkehren sollte. 1950 stellten die Stadt Mainz ihr Wohnung und Atelier zur Verfügung unter der Voraussetzung, dass sie einen Lehrauftrag übernahm, was sie nach kurzer Zeit allerdings aufgab. 1955 war sie jedoch eine der ersten Frauen, die bei der ersten Documenta ausstellte. Emy Roeder starb am 7. Februar 1971 in Mainz, sie wurde jedoch in ihrer Heimatstadt Würzburg begraben, die auch ihren wertvollen Nachlass mit Werken befreundeter Kollegen erhielt.

Renée Sintenis (1888-1965)

Als ich die kleinen Tierplastiken der am 20. März 1888 in Glatz geborenen Renée Sintenis entdeckte, war ich im ersten Moment glücklich, dass ich endlich Tiere für meinen Workshop gefunden hatte. Aber Fohlen und Rehe sind aus Papier nicht weniger schwierig herzustellen wie als Skulpturen, also habe ich sie erst einmal nur fotografiert und betrachtet. Erst jetzt bei der Recherche habe ich festgestellt, dass ich in meiner Briefmarkensammlung sogar ein Postwertzeichen mit einem Fohlen von ihr besitze. Obwohl Renée, die als Kind noch Renate hieß, schon früh ein künstlerisches Talent gezeigt und mit einem Kunststudium begonnen hat, zwang ihr Vater sie erst dazu, als Sekretärin zu arbeiten, woraufhin sie den Kontakt zur Familie abbrach. Sie hatte Glück, dass sie bald in die Berliner Künstlerkreise geriet und sich dort Rat und Inspiration holen konnte. Ab 1915 begann sie, Tierfiguren zu schaffen, allerdings nicht wie manche Kollegen groß und monumental, sondern im kleinen Format. Die Motive wiederholten sich, Pferde, Rehe, Esel und Hunde, dafür fand sie auch Käufer, sodass sie sich selbst finanzieren konnte. Sie wurde zunächst von dem Galeristen Wolfgang Gurlitt und später von Alfred Flechtheim vertreten und war ab 1913 regelmäßig in Ausstellungen vertreten. Sie war also auf einem guten Karriereweg, bis die Nationalisten an die Macht kamen und gleich am 1. April 1933 ihren Ehemann Emil Rudolf Weiß entließen, weil er gegen das NS-Regime gewettert hatte. Sie selbst wurde 1934  wegen ihrer jüdischen Großmutter mütterlicherseits aus der Akademie der Künste ausgeschlossen, konnte aber – seltsamerweise – dennoch Mitglied in der Reichskammer der bildenden Künste bleiben und mindestens bis 1941 an Ausstellungen teilnehmen. Obwohl ihre Werke nachweislich im Rahmen der Beschlagnahmung von „entarteter Kunst“ 1937 ihre Werke aus öffentlichen Kunsteinrichtungen in Berlin, Bremen, Düsseldorf und Erfurt eingezogen wurden. Eines ihrer Selbstbildnisse war sogar schon 1934 in München bei der „Schandausstellung“ gezeigt worden. Das verrät einmal mehr, wie willkürlich die Einordnung durch die Nationalsozialisten teilweise war. Nach Kriegsende wurde behauptete, sie sei von einem Nationalsozialisten protegiert worden, einen Nachweis gibt es darüber allerdings nicht. Bekannt ist hingegen, dass sie das Atelier ihres 1942 verstorbenen Mannes übernahm und dort auch Max Pechstein arbeitete und zeitweise mit seiner Familie lebte. Ein Großteil ihres Werkes und ihrer schriftlichen Aufzeichnungen wurde durch Brandstiftung und Bombenangriffe auf ihr Atelierhaus zerstört, einige der Werke, die überlebt haben, gehören dem Osthausmuseum, das sie jetzt präsentiert. Mitte der 50er-Jahre war sie kurzzeitig Professorin an der West-Berliner Hochschule der Künste, ehe Renée Sintenis, bis sie am 22. April 1965 starb, sich wieder ganz der Kunst widmete. 1957 wurde ihre Statue des Berliner Bären als lebensgroße Bronzeplastik auf dem Mittelstreifen der heutigen Autobahn 115 aufgestellt, im kleinen Format wird ihr Bär seit den 50er-Jahren als Preistrophäe bei der Berlinale, verliehen.

Milly Steger (1881-1948)

Während Grete Hartje-Coerdes ihr Werk in der Ausstellung der von den Nationalsozialisten goutierten Kunstwerke ausstellen durfte, fand sich die „Kniende“ von Milly Steger in dem Teil der Ausstellung „Entartete Kunst“ wieder, der unter Bombenschutt gefunden wurde. Die Überreste davon waren vor einigen Jahren im Osthausmuseum zu sehen, jetzt stehen ihre Werke aus dem Besitz des Hagener Museums im Umfeld anderer Bildhauerinnen. Milly Steger, die am 15. Juni 1881 in Rheinberg geboren wurde und in Wuppertal-Elberfeld aufwuchs, besuchte gegen den Willen ihres Vaters die Klasse für Stuckateure und Steinmetze der Kunstgewerbeschule, um sich unterstützt von der Mutter zur Bildhauerin ausbilden zu lassen. Sie lebte überwiegend in Berlin, aber auch einige Jahre in Hagen in einem Haus in der Künstlerkolonie am Stirnband, in der Stadt an der Volme wurde sie auf Empfehlung des Mäzen Karl Ernst Osthaus zur Stadtbildhauerin ernannt und mit einigen öffentlichen Aufträgen betraut, unter anderem den Figuren über dem Portal des Theaters. Auch nach ihrem Tod am 31. Oktober 1948 waren und sind in Hagen im öffentlichen Raum weiterhin ihre Werke präsent, nur wenige wissen aber, dass sie eine der ersten Frauen war, die als Bildhauerin öffentliche Aufträge bekam und damit zu einer Vorreiterin für spätere Generationen wurde. © 2025 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de

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