Beim vorweihnachtlichen Aufräumen fand ich in einem Block eine Notiz über Elsie Kühn-Leitz, die ich vor Monaten gemacht haben muss. Außer ihrem Namen konnte ich nicht mehr viel lesen, sodass ich mich auf die Suche im Internet machte und feststellte, dass derzeit im Stadtmuseum Wetzlar eine Ausstellung über die in vielerlei Hinsicht engagierte und mutige Frau zu sehen ist. Vielleicht kann ich einen Besuch dort noch mit einem anderen Termin verbinden, erst einmal habe ich das Web leer recherchiert.
Zur Herkunft von Elsie Kühn-Leitz
Als ich den Namen Kühn-Leitz hörte, habe ich – das gebe ich zu – als erstes an Leitz-Ordner gedacht und war schon aufgeregt, weil ich hier vielleicht mal wieder eine Papierfrau entdeckt haben könnte. Elsie Kühn-Leitz hatte mit dem Bürobedarf aus Stuttgart jedoch nichts zu tun, sie wuchs nach ihrer Geburt am 22. Dezember 1903 in Wetzlar auf, als einzige Tochter von Ernst Leitz, der Mikroskope und die bis heute bekannte Leica (Leitz-Camera) herstellte. Sie muss sehr wissbegierig und willensstark gewesen sein, denn sie legte 1921 mit 17 Jahren die Abiturprüfung an der Oberrealschule in Berlin ab und schloss zwei Jahre später ein wirtschaftliches Studium in Frankfurt und München als Diplom-Kauffrau ab. Damit hätte sie gut ins väterliche Unternehmen einsteigen können, aber sie wollte mehr und schrieb sich an den Universitäten in München und Berlin für die Rechtswissenschaften ein. 1936 promovierte sie zur Dr. iur. Mit einer Arbeit „Zur Frage der rechtsgeschäftlichen Mitgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch die Ehegatten“. Das Thema zeigt wie ihre Ausbildung, dass sie sich nicht auf die Rolle einer Hausfrau, die nur im Haus bestimmen darf, reduzieren lassen wollte. Dennoch bekam sie nach ihrer Heirat mit Kurt Kühn drei Kinder, um die sie sich auch kümmerte. Während des Zweiten Weltkriegs hatte sie als Frau und Mutter keine Chance, in ihrem Beruf zu arbeiten. Die Deutsche Arbeitsfront verpflichtete sie daher, das Lager der Zwangsarbeiterinnen in der Firma ihres Vaters zu leiten.
Widerstand gegen die Nationalsozialisten
Mit der Umsetzung des Auftrags war der Staat allerdings nicht zufrieden. Am 10. September 1943 wurde sie wegen „übertriebener Humanität“ verhaftet und für drei Monate eingesperrt. Dass sie im Gefängnis noch halbwegs menschlich leben konnte und dass ihr nicht mehr geschehen ist, verdankt sie Beziehungen und Bestechungsgeldern ihres Vaters. Elsie Kühn-Leitz wurde vorgeworfen, dass sie die Zwangsarbeiter:innen zu gut behandelt hatte, sie hat dafür gesorgt, dass sie menschenwürdig ernährt, gekleidet und untergebracht waren und es ist verbürgt, dass sie mindestens eine Jüdin, Hedwig Palm, versteckt und ihr bei der Flucht geholfen hat, die allerdings verraten wurde.
Engagement nach dem Krieg
Auch nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur engagierte Elsie Kühn-Leitz sich auf vielfältige Weise für die Menschen und ihr Land. Sie trat in die CDU ein und gründete 1945 die CDU in Hessen mit, im selben Jahr rief sie die Wetzlarer Kulturgemeinschaft in ihrem Heimatort ins Leben. 1957 gründete sie die Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften in Europa, um die Völkerverständigung zwischen den ehemaligen Feinden in Deutschland in Europa voranzubringen. Diese Initiative wurde durch die Ehrenbürgerschaft in Wetzlar und Avignon, der französischen Partnerstadt ihres Heimatortes, belohnt. Sie war nicht nur in ihrer Stadt, ihrem Land und auf ihrem Kontinent aktiv, sondern unterstützte zudem durch ihre Freundschaft mit Albert Schweitzer dessen Tätigkeit in Afrika und man vermutet, dass sie im Hintergrund an der Unabhängigkeit des ehemaligen Belgisch-Kongo zur Demokratischen Republik Kongo beteiligt war. Die Kulturgemeinschaft erinnert seit 2023 mit einem Stipendium für hochbegabte Musiker:innen an ihre engagierte Gründerin. Elsie Kühn-Leitz starb am 5.August 1985 in ihrer Heimatstadt, in der sie derzeit durch die Ausstellung „Elsie Kühn-Leitz: Eine Frau, ein Jahrhundert“ im Stadtmuseum geehrt wird, die noch bis zum 12. April 2026 zu besichtigen ist. © 2025 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de
Die Collage für das Beitragsfoto ist aus einem Foto der Ernst-Leitz-Stiftung entstanden, das auf der Ausstellungsseite veröffentlicht wurde, die Collage soll die Vielfalt der engagierten Frau symbolisieren.