Journalistin Maria Leitner (1892-1942)

Ein Artikel in der ZEIT hat mich kürzlich wieder an diese Autorin und Journalistin erinnert, deren Reportagen und Romane ich verschlungen habe, als ich für meinen Roman „Den Traum im Blick“ über Herti Kirchner recherchierte. In einem der Bücher las ich auch über ihr tragisches Lebensende, das in dem Artikel Ostern 2024 aufgegriffen wurde.

Leben & Werk von Maria Leitner

Maria Leitner wurde am 19. Januar 1892 in Varazdin in Österreich-Ungarn geboren (ab 1920 verwendete sie einen österreichischen Pass mit einem anderen Geburtsdatum, daher kursieren unterschiedliche Daten). Sie wuchs in Budapest auf und lernte dort auch Deutsch, sodass sie ohne Sprachprobleme in Wien und Berlin studieren konnte. Im ersten Weltkrieg war sie Korrespondentin für eine Budapester Zeitung und wirkte in einer pazifistischen Einrichtung mit. Danach arbeitete sie für verschiedene Verlage als Journalistin und Übersetzerin. 1925 schickte der Ullstein-Verlag sie auf eine Recherche-Reise durch die USA, wo sie – so heißt es – 80 verschiedene Jobs annahm, um das Leben der kleinen Leute von innen kennenzulernen. Das spiegelt sich in ihren sozialkritischen Reportagen wider, die unter dem Titel „Eine Frau reist um die Welt“ publiziert wurden und vermutlich nicht überall gut ankamen, weil sie manche Missstände aufdeckten.

Die Erlebnisse dieser Reise verarbeitete sie in dem Roman „Hotel Amerika“, der 1930 erschien, der u. a. ins Spanische und Polnische übersetzt wurde. In dem Jahr kehrte sie nach Berlin zurück und wurde Mitglied im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller, dem u. a auch Bertolt Brecht und Anna Seghers angehörten. Wie ihre Reportagen so war auch der Roman sozialkritisch geprägt, schließlich hatte sie seit jeher ein Faible für die Unterdrückten und unterstützte auch entsprechende Parteien und Verbünde. In verschiedenen Artikeln habe ich den Hinweis gefunden, dass das Buch 1933 auf der Liste der zu verbrennenden Bücher stand, allerdings bisher keine Quelle dazu entdeckt, in meinen Unterlagen taucht sie nicht auf. Was nicht heißt, dass der Roman nicht in zusätzlich zu den Büchern von der Liste verbrannt wurde und was nicht bedeutet, dass sie nicht von den Nationalsozialisten verfolgt wurde.

Maria Leitner und Nazi-Deutschland

Nachdem Maria Leitner das Leben der kleinen Leute in den USA kennengelernt hatte, wollte sie wissen, wie es im Deutschen Reich aussah, wo die Menschen sich immer noch über den Versailler Vertrag ärgerten, die Inflation und Arbeitslosigkeit zusätzlich die Unzufriedenheit schürte und die Nationalsozialisten auf dem Vormarsch waren. So reiste die Journalistin durch Deutschland und schaute dem Volk aufs Maul mit beängstigenden Ergebnissen. Ihre Artikel erschienen vor allem in der linken Presse der Weimarer Republik. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten geriet sie so auch in deren Fokus. Sie emigrierte über Prag nach Paris, wo sie bis 1940 unbehelligt leben konnte. Von dort aus kehrte sie immer wieder nach Deutschland zurück, um in ausländischen Zeitungen und Emigrantenpresse über die Zustände zu berichten. Je näher die Wehrmacht auf Paris rückte, umso deutlicher wurde es, dass sie aus Frankreich herausmusste. Nachdem sie mit anderen deutschen Emigranten im Mai 1940 von den französischen in ein Lager gebracht wurden, floh sie nach Marseille, von wo aus sie versuchte, ein Ausreisevisum zu beschaffen – vergeblich. Lange war nicht klar, was aus ihr geworden ist. Inzwischen ist klar, und darum ging es in dem oben erwähnten ZEIT-Artikel, dass sie in Marseille in die Psychiatrie gebracht wurde, weil man glaubte, sie leide unter Verfolgungswahn, was keineswegs krankhaft, sondern als Jüdin, Sozialistin und regierungskritische Journalistin harte Realität war. In der Klinik starb sie am 14. März 1942. Ihre Werke sind heute nur einem kleinen Kreis bekannt, einige Reportagen und Romane sind 2013 im Aviva-Verlag neu erschienen. Sie geben einen Einblick in das Leben in Deutschland vor knapp 100 Jahren, vor allem der Roman „Elisabeth, das Hitlermädchen“, der 1937 in der Exilpresse erschienen ist und auf heimlichen Reisen durch Deutschland in der NS-Zeit basiert. © April 2024 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de www.birgit-ebbert.de

Links zu Maria Leitner

ZEIT-Artikel vom 27. März 2024 (hinter der Bezahlschranke!)

„Gegen den Verdummungsfeldzug der Reaktion…“: Zu Leben und Werk von Maria Leitner (1892-1942) (Artikel von Rebecca Unterberger November 2017)

Beitrag über Maria Leitner der Universität Düsseldorf

Beitrag auf „Künste im Exil“

Porträt in fembio.org

Wikipedia-Eintrag über Maria Leitner

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