Man könnte sagen, eine Frau, die im Mittelpunkt eines Romans steht, ist nicht vergessen. Aber wie viele Menschen lesen diesen Roman und wie viel von dem, was dort erwähnt wird, ist historisch wahr? Mich hat der Roman „Prinzessin Alice“ von Irene Dische neugierig gemacht auf die Schwiegermutter der Queen, Prinzessin Alice von Battenberg, die trotz ihrer Gehörlosigkeit ein aufregendes Leben gelebt und sich für andere Menschen eingesetzt hat.
Alice von Battenberg als Autodidaktin
Tatsächlich hatte ich noch nie von Alice von Battenberg gehört, der Mutter von Prinz Philipp I, dem Ehemann von Queen Elizabeth II, die am 25. Februar 1885 in Schloss Windsor geboren wurde. Das an sich ist nicht verwunderlich, so sehr interessiere ich mich nicht für den Hochadel, aber doch schon immer für Menschen, die trotz einer Beeinträchtigung oder Behinderung ihren Weg gehen oder gingen. Alice von Battenberg war gehörlos, was für sie als Kind Ende des 19. Jahrhunderts ebenso ungewohnt und belastend war wie für heutige Kinder, hinzukam, dass diese Krankheit in jener Zeit als Schwäche angesehen wurde. Statt das Kind zu fördern, verbot Alices Mutter den anderen Kindern und Bediensteten, für das Mädchen extra langsam und deutlich zu sprechen oder das Gesprochene zu wiederholen. Alice spornte das eher an, sie lernte von den Lippen zu lesen, mit achtzehn Jahren verstand sie so bereits drei Sprachen, im Laufe des Lebens eignete sie sich weitere an. Außerdem trainierte sie sich selbst, klar zu sprechen, auch das soll sie mit achtzehn bereits beherrscht haben.
Alice von Battenberg – Prinzessin von Griechenland
Nachdem sie sich 1902 bei den Krönungsfeierlichkeiten für Eduard VII in London Prinz Andreas von Griechenland verliebte, heiratete sie ihn 1903 und ging mit ihm nach Athen. Die beiden bekamen vier Töchter und einen Sohn, den späteren Ehemann der Queen, und lebten die ersten zwanzig Jahre ihrer Ehe mehr oder weniger glücklich im Palast in Athen. 1922 wurde Prinz Andreas jedoch aus Griechenland vertrieben, nachdem die Türken die Herrschaft über Griechenland übernommen hatten. Alice floh ohne nennenswerte finanzielle Mittel nach Paris, wo sie Handarbeiten verkaufte, um sich und ihre Kinder über Wasser zu halten, während ihr Mann sich in Monaco eine Wohnung nahm, dort mit einer Geliebten zusammenlebte und das Leben genoss.
Es heißt, dass Alice in jener Zeit psychisch erkrankte, sie sei schizophren, weil sie sexuell nicht ausgelastet sei, behauptete angeblich Sigmund Freud, der vorschlug, die Eierstöcke mit Röntgenstrahlen zu bearbeiten, um ihre sexuellen Fantasien zu heilen. Was nun stimmt, finde ich schwer zu ermitteln, feststeht, dass sie in verschiedenen Kliniken war, aber es gibt ja durchaus Beispiele dafür, dass Frauen, die nicht ins Bild einer Familie passten, auf diese Weise stillgestellt wurden. Wenn man bedenkt, dass sie gehörlos war und einige Schicksalsschläge bewältigen musste, den Tod ihrer Tante, der Zarin, und ihrer Lieblingstante, die ebenfalls in Russland ermordet wurde. Ich finde es schon verwunderlich, dass ausgerechnet in der Zeit die vier Töchter mit Männern aus der großen Verwandtschaft verheiratet wurden: Margarita (1905–1981) ehelichte 1931 Gottfried Prinz zu Hohenlohe-Langenburg und im selben Jahr Theodora (1906–1969) Berthold Markgraf von Baden und Cecilia (1911–1937) Georg Donatus von Hessen-Darmstadt. Die jüngste Tochter Sophie (1914–2001) war bereits 1930 im Alter von sechzehn mit 1930 Christoph Prinz von Hessen verheiratet worden. Die Familie Battenberg, die sich später in Mountbatten umbenannte, gehörte zu den Nachfahren von Königin Victoria und war unter anderem mit dem russischen Zaren verwandt. Allerdings galt sie in der Familie als exzentrisch und seltsam, sodass auch die Beziehung gerade zu den Töchtern nicht immer einfach gewesen war und lange blieb. Erst bei der Trauerfeier für Cecilia, die 1937 mit ihrem Mann und ihren Kindern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, näherte sich die Familie wieder an.
Ein Leben für sich und andere
1935 entließ sich Alice selbst aus der Klinik und zog wieder nach Athen, wo sie während des zweiten Weltkriegs eine Suppenküche betrieb und eine jüdische Familie versteckte, die dadurch die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, die dort 1943 die Herrschaft übernahmen, rettete. Nach dem Krieg gründete sie wie eine Tante einen Orden, der sich allerdings auflöste, weil sie zu wenig anwesend und in der Welt unterwegs war. Alice von Battenberg starb am 5. Dezember 1969 im Buckingham Palace in London, wo sie 1967 Zuflucht gefunden hatte, nachdem sie Griechenland wieder einmal verlassen musste, dieses Mal aufgrund eines Militärputsches. 1994 wurde Alice von Battenberg posthum für diese Tat geehrt, unter anderem im Beisein ihrer beiden damals noch lebenden Kinder Sophie, Prinzessin von Griechenland und Dänemark, und Philipp, Duke of Edinburgh und Ehemann der englischen Königin.
Der Roman „Prinzessin Alice“ von Irene Dische
Auf 160 Seiten erzählt Irene Dische aus der Sicht von Prinzessin deren Leben mit den oben erwähnten und weiteren Schicksalsschlägen. Dabei stellt sie ihr zwei Schwägerinnen an die Seite, die auf die eine oder andere Art ihr Leben beeinflussten, Marie Bonaparte, die Ehefrau ihres Schwagers Prinz Georg von Griechenland und Edwina von Battenberg, die Ehefrau ihres Bruders Prinz Louis von Battenberg, später von Mountbatten. Während die eine eher missgünstig darauf schielt, die vermeintlich verrückten Alice zu bevormunden, versucht die andere mit den finanziellen Mitteln ihrer reichen Familie der Prinzessin ein halbwegs würdiges Leben zu ermöglichen. Was davon historisch belegt ist, habe ich nicht recherchiert, das Modell der „drei Schwestern“, von denen Irene Dische Alice sprechen lässt, sorgt für eine gute Portion Dynamik und Action in der Erzählung wie auch die teils detaillierte Beschreibung der religiösen Ekstase, die an sexuelle Ekstase erinnert. Eine gelungene Aufbereitung des Lebens der vergessenen Schwiegermutter der Queen, die neugierig macht auf das Leben von Prinzessin Alice und den anderen Frauen. © 2025 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de
Weiterführende Links
WDR-Zeitzeichen vom 25.02.2015
Das Schicksal von Alice von Battenberg (Cochlea Implantat Austria)