Brandt-Zwieback kennt vermutlich jeder, aber die wenigsten wissen, dass dieses Unternehmen 20 Jahre von einer Frau geleitet wurde, von Betty Brandt, der Witwe des Firmengründers. Allerdings ist das nicht verwunderlich, denn im Internet fand sich – bisher (März 2024) – außer einer Erwähnung in einem Artikel der Wirtschaftswoche nichts über diese Frau, die nicht nur souverän das Unternehmen geleitet hat, sondern in ihrer Geburtsstadt, wo bis heute der Firmensitz ist, Gutes getan hat.
Betty Brandt aus Hagen für Hagen
„Die strenge Patriarchin treibt die Expansion voran, gilt gleichzeitig als soziales Gewissen des Unternehmens“, hieß es 2010 in einem Artikel über berühmte Erbinnen. Das zeigt, dass Betty Brandt nicht nur auf dem Papier die Geschäfte ihrer Firma leitete, sondern Entscheidungen traf und die Entwicklung vorantrieb. Dazu passt, was Elisabeth Blankenagel, über die Unternehmerin schrieb, die am 28. Dezember 1906 in Hagen-Haspe als Bettina Lindner und Kind einer Arbeiterfamilie geboren wurde. Bereits in der Schule zeigte Betty Brandt ein besonderes Interesse und Talent für Zahlen, sodass sie nach der Volksschule die Kaufmannsschule besuchte. Zunächst arbeitete sie danach in dem Büro einer Bäckerei, ehe sie Sekretärin in der Firma Brandt wurde und sich dort mit 30 Jahren zur Prokuristin hochgearbeitet hatte. 1940* heiratete sie Firmengründer Carl Brandt. Gemeinsam ließen sie im vom Krieg zerstörten Hagen nach dem Krieg 91 Wohnungen für Werksangehörige bauen. In den 60er-Jahren sorgte sie dafür, dass ausländische Arbeitnehmerinnen für eine niedrige Miete im ehemaligen Krankenhaus „Auf dem Mops“ Wohnraum und Zuhause fanden.
Die soziale Unternehmerin Betty Brandt
Betty Brandt hatte, so berichtet Elisabeth Blankenagel in ihrem Artikel, ein Herz für ihre Mitarbeiter:innen. Sie führte ein, dass der Arbeitsplatz am Fließband stündlich gewechselt wurde, um einseitige körperliche Belastungen zu verhindern, und setzte sich für eine gute Bezahlung von ledigen jungen Frauen unter den zeitweise 4.000 Angestellten in den unteren Lohngruppen ein. Dass das Unternehmen für sie ein Familienbetrieb war, zeigte sich auch daran, dass an der jährlichen Nikolausfeier auch die Kinder der Betriebsangehörigen teilnehmen durften. Zu ihrer Zeit existierte ein Werkschor mit 56 Sängerinnen und Sängern, sie selbst sang einige Zeit im gemischten Chor der MGV Concordia in Haspe und förderte diesen Chor später noch, wie ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1950 verrät.
Vielfältiges Engagement
Auch außerhalb des Unternehmens engagierte sich Betty Brandt, vor allem beim Deutschen Roten Kreuz, dafür wurde sie mit dem Großen Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Ihr Herz gehörte auch den alleinstehenden Frauen, wie sie sich für eine bessere Bezahlung der jungen Geschlechtsgenossinnen einsetzte, engagierte sie sich für die Seniorinnen. Auf dem Gelände des Heilig-Geist-Krankenhauses in Haspe ließ sie ein Seniorenheim errichten, das heute den Namen Haus Bettina trägt und zur Caritas gehört. Ursprünglich hatte Betty Brandt das Heim dem katholischen Schwesterorden „Arme Dienstmägde Christi“ geschenkt, der 1995, bei Erscheinen des Beitrags über Betty Brandt, noch die Einrichtung leitete.
Die Unternehmerin arbeitete bis zu ihrem 78. Lebensjahr voll im Unternehmen mit, aus gesundheitlichen Gründen übergab sie dann die Leitung an ihren Adoptivsohn Carl-Jürgen Brandt, eigene Kinder hatte sie nicht. Sie starb am 9.November 1984 in Hagen.
* Im Artikel von Elisabeth Blankenagel steht 1941, aber die Anzeige in der Westfälischen Landeszeitung vom 19.03.1940 belegt, dass die Hochzeit ein Jahr früher war.
Quellen:
Elisabeth Blankenagel „Betty Brandt (1906-1984). Unternehmerin mit Kopf und Herz“. In: Deutscher Frauenring e. V. Ortsring Hagen „Frauen in der Hagener Geschichte“. Edition Ebersbach 1995.